Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
alle Jahre wieder – das gilt nicht nur für Weihnachten, sondern auch für die Haushaltsberatungen. Der Vergleich ist naheliegender, als es zunächst den Anschein hat, denn: ebenso wie sich manch einer nach feiertäglichen Familienstreitigkeiten vornimmt, im nächsten Jahr alles ganz anders zu machen und dann doch enttäuscht wird, ergeht es uns als Opposition in den Haushaltberatungen. Sie von der Paprika beschwören alljährlich die Verantwortung, die nur Sie zu tragen bereit seien, während mit der Opposition „kein Staat zu machen“ sei. Um es etwas präziser darzustellen: Ja, Sie tragen die Verantwortung für Ihre Vorstellungen und Schwerpunkte, die sich im Haushalt wiederfinden. Und ja, wir werden es nicht mittragen. Das liegt aber keineswegs daran, dass wir uns der einzig richtigen Lösung verweigern, sondern daran, dass
unserer Meinung nach wesentliche Punkte unberücksichtigt geblieben sind.
Es ist gut und richtig, die Reduzierung der Schulden aus Liquiditätskrediten anzugehen; geht mit ihnen doch ein erhebliches finanzielles Risiko bei Zinsänderungen einher. Ziemlich mutig – oder sollte man eher sagen: leichtsinnig – ist jedoch, dies für die nächsten 10 Jahre so in Aussicht zu stellen. Durch den ganzen Haushalt zieht sich wie ein roter Faden die Erwartung, dass auf der Einnahmenseite in Zukunft alles so weiterlaufen wird wie es aktuell ist. Die Personalausgaben steigen erheblich und werden weiter steigen, dazu gibt´s noch kühne Pläne zur Schuldentilgung. Um es an dieser Stelle noch einmal ganz klar zu sagen: wir haben aktuell rekordverdächtige Steuereinnahmen, insbesondere auch aus der Gewerbesteuer.
Man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass dies nicht immer so weitergehen wird. Die Gewerbesteuer ist eine stark konjunkturabhängige Steuer, und die nächste Konjunktur-Delle oder Rezession kommt bestimmt. Welche Möglichkeiten haben Sie dann, gegenzusteuern? Keine. Sie können keine neuen Betriebe in Bielefeld ansiedeln, weil jetzt schon Gewerbeflächen in Bielefeld fehlen. Der reflexartige Antrag der Linken hierzu, die Gewerbesteuer zu erhöhen, ist auch deshalb natürlich völliger Quatsch. Hier haben die bürgerlichen Parteien in den Abschlussberatungen einen vernünftigen Antrag gestellt. Von zusätzlichen Gewerbeflächen würde Bielefeld auch in den aktuell guten Zeiten profitieren. Leider sind Sie diesem Antrag nicht gefolgt. Der angeführte Grund, es gäbe gar keine entsprechend geeigneten Flächen, ist indes nur vorgeschoben. Bei der gewünschten Erweiterung von Wahl &Co bzw. dem Strothbachwald haben wir schon gesehen, dass es der Paprika im Zweifel eher um drei Molche geht als um die zukunftssichere Gestaltung Bielefelds.
Wenn die Einnahmen wegbrechen, stünden Sparmaßnahmen an. Da Sie aber aktuell mit voller Kraft Personal aufbauen, werden auch große Anstrengungen an dieser Stelle keine nennenswerte Wirkung erzielen. Ohnehin kämen Ihnen vor Einsparungen als erstes wieder Steuererhöhungen in den Sinn, und hier würde es aufgrund der guten Planbarkeit mit der Grundsteuer B als erstes wieder die Bürgerinnen und Bürger treffen, die bisher schon einen herausragenden Beitrag zur Haushaltssanierung geleistet haben. Auch hier haben Sie unseren Antrag, die Bürgerinnen und Bürger eher symbolisch zu entlasten, abgelehnt. Das Thema wird sicher in Kürze wieder auf den Tisch kommen, wenn im Bund die Neugestaltung der Grundsteuerbemessung beschlossen wird. Sie können sich sicher sein, dass wir eine „Erhöhung durch die Hintertür“ nicht mittragen werden, egal, wie verlockend es für die Paprika sein mag.
Was sind nun Ihre Schwerpunkte im Haushalt? Vieles sind Pflichtaufgaben, nur mit einem kleinen Teil des Budgets kann wirklich frei gestaltet werden. Was machen Sie damit? Als fast schon monothematisch kann man die Fixierung auf den Radverkehr und die weitere Einstellung von Radfahrbeauftragten bezeichnen. Sie werden vielleicht staunen, das von mir zu hören, aber: es ist sicher sinnvoll, wenn mehr Menschen Rad und weniger mit dem Auto in die Stadt fahren. Nur: es fehlt in der Verwaltung auch jetzt schon nicht an Menschen, die Ideen entwickeln und Fördergelder beantragen. Es hapert an der Umsetzung, und zwar ganz gewaltig. Was ist denn mit dem Baustellenmanagement in der Stadt? Eine Katastrophe! Es gab eine sehr prominent besetzte Task-Force, die bisher überhaupt nichts gebracht hat. An der Voltmannstraße kann man besichtigen, wie nur vier Arbeiter 2×2 Kilometer Bürgersteig pflastern und die Straßendecke erneuern, deswegen eine insgesamt mehrjährige Maßnahme. Sie sind doch schon mit den regulären Instandsetzungsmaßnahmen überfordert; wie soll denn da noch die sogenannte Verkehrswende gelingen? Auch beim Kommunalinvestitionsförderungsgesetz konnte man sehen, wie lange es dauert, bis Maßnahmen, die eigentlich schon „in der Schublade“ liegen, begonnen werden können.
Auch wenn der zuständige Dezernent überzeugt ist, dass alles prima läuft – fragen Sie mal Architekten und Bauträger, ob man heute länger oder kürzer als früher auf eine Baugenehmigung warten muss. Da sehe ich das zusätzliche Personal an der falschen Stelle eingesetzt. Die überbordende, unproduktive Bürokratie wird noch gestärkt. Wo wir gerade bei Schwerpunkten sind: ist es nicht auch Aufgabe des Oberbürgermeisters, nicht nur kurzfristig und parteipolitisch zu handeln, sondern die Verwaltung insgesamt zukunftsfähig aufzustellen? Mit eher langfristiger Perspektive und klugen Entscheidungen?
Das vielbeschworene Thema Digitalisierung ist in der Verwaltung nicht wirklich präsent. Seit längerem wird an der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems gefeilt. Weder für die verwaltungsinternen Abläufe sind bisher nennenswerte Potenziale realisiert worden, noch merken die Bürgerinnen und Bürger etwas davon. Die umstrittene Kürzung der Öffnungszeiten in der Bürgerberatung wurden mit einer Online-Terminvergabe „kompensiert“ – nicht wirklich innovativ, eher eine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass dies schon seit mehreren Jahren in der Kfz-Zulassungsstelle möglich ist. Potenziale realisieren, effizienter werden – das bedeutet auch, dass Sie wahrscheinlich mit weniger Personalzuwachs ausgekommen wären. Da wollen Sie nicht ran, vor der Kommunalwahl schon gar nicht, auch wenn nun ein Digitalisierungsausschuss etabliert werden soll.
Und daran kann man erkennen, dass bei der „Verantwortung“, die Sie immer betonen, doch der Mut und die Visionen fehlen. Dass es doch nur um Klientelpolitik geht und nicht um Bielefeld. Nicht um die Zukunft. Nicht um die Bürgerinnen und Bürger.
Unser Herr Bolte hat im Jugendhilfeausschuss angeregt, kostenfreie Kita-Plätze anzubieten. Zugegeben, ein nicht ganz billiger und eher visionärer Vorschlag. 11 Millionen pro Jahr sind keine Kleinigkeit, aber solche Visionen fehlen Bielefeld.
Bielefeld würde vor allem für die Mittelschicht noch attraktiver werden, denn in den sehr niedrigen Einkommen müssen schon jetzt keine Beiträge gezahlt werden. Ungefähr die Hälfte der Eltern zahlt zurzeit die Kindergartenbeiträge alleine, und dass mit einer riesigen Bürokratie, wo mit großem Aufwand jedes Jahr neu festgestellt werden muss, wieviel Beitrag man überhaupt zu bezahlen hat. Diese Bürokratie könnte man sich genauso sparen wie spätere Zusatzkosten bei der Integration und Förderung von Kindern, die leider bisher nicht an entsprechender frühkindlicher Bildung und Betreuung teilgenommen haben. Ganz nebenbei würde die Attraktivität Bielefelds für Familien gesteigert.
Solche Visionen fehlen uns im vorgelegten Haushalt. Stattdessen kleines Karo, überall ein bisschen Personal dazu, und alles unter der Prämisse, dass die Einnahmen weiter so sprudeln werden wie aktuell. Ja, auch die Opposition trägt Verantwortung. Und dieser Verantwortung werden wir gerade dadurch gerecht, dass wir den vorgelegten Haushalt ablehnen.
Thomas Rüscher
(BfB Ratsmitglied)