Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, geehrte Damen und Herren,
seit der letzten Haushaltsdebatte im Rat ist noch kein Jahr vergangen, doch die Situation hat sich grandios geändert: Kaum noch Defizit wegen den weisen Weichenstellungen der Paprika. Zumindest wird der Versuch unternommen, es den Bürgerinnen und Bürgern über die Presseberichte der letzten Wochen so zu verkaufen.
Nachdem die Paprika bei der Schulpolitik – Stichwort Sekundarschule – den mehrheitlichen Elternwillen ignoriert und bei der Verkehrspolitik weiter mit Hochdruck am innerstätischen Infarkt arbeitet, kann man endlich positive Meldungen zum Haushalt herausgeben. In der Tat sehen die Einnahmen zurzeit gut aus und das Defizit ist kleiner als zunächst geplant. Natürlich freuen wir uns gemeinsam mit Ihnen über diese Tatsache, die gut für Bielefeld ist. Der guten Ordnung halber muss man allerdings erwähnen, dass dies weniger an den eingangs erwähnten Weichenstellungen liegt, sondern in der Hauptsache der guten Konjunktur geschuldet ist, welche die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln lässt.
Umso mehr besteht die Notwendigkeit, die gute Ertragslage auch für die Zukunft zu sichern. Und das geht nicht – wie die Linken es beantragen – mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer. Bielefeld steht bei der Neuansiedlung und dem Erhalt von Betrieben nicht in Konkurrenz zu gleichgroßen Städten in NRW, sondern in Konkurrenz zu den direkten Nachbarkommunen, in denen allesamt günstigere Bedingungen herrschen.
Deshalb müssen vor allem die Rahmenbedingungen für ein gesundes Wachstum geschaffen werden: neben ausreichend Wohnraum und einer guten Infrastruktur sind das vor allem auch ausreichend Gewerbeflächen. Hier besteht entsprechender Bedarf. Auch wenn hinter den Kulissen schon an diesem Thema gearbeitet werden mag, wichtig wäre aus unserer Sicht ein deutliches Zeichen in die Öffentlichkeit. Deshalb hat die BfB in den Haushaltsberatungen im FiPA jeweils die Anträge aus dem bürgerlichen Lager unterstützt, Mittel für den Ankauf und die Entwicklung von Gewerbeflächen in den Haushalt einzuplanen.
Am Haushalt 2018 ist nicht alles schlecht, einige Punkte haben wir in den Fachausschüssen auch mitgetragen. Insgesamt besteht aber weiterhin ein deutliches Missverhältnis zwischen Reduzierung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen; mit der dreimaligen Erhöhungen der Grundsteuer B allein haben Sie den Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche 10 Mio. Euro aus der Tasche gezogen (dabei nur 2015 und 2016 berücksichtigt; für 2017 mit der jüngsten Erhöhung liegen noch keine Daten vor).
Damit den Bürgerinnen und Bürgern möglichst nicht auffällt, dass zwischen Ausgabeverminderungen und Einnahmeerhöhung keineswegs ein Gleichgewicht besteht, wird uns von Ihnen beides gleichermaßen als „Einsparung“ präsentiert. Bei den Ausgaben spielt natürlich das Personal in der Verwaltung eine wesentliche Rolle. Man kann leicht den Eindruck bekommen, dass die Entwicklung hier nur eine Richtung kennt: nach oben. Die
Umstrukturierung des Informatikbetriebes ist da nur ein Beispiel: Zur Reintegration in die Kernverwaltung wurde das Modell „optimierter Status Quo“ beschlossen. Im Zuge der Neuorganisation wird dabei eine Stelle neu geschaffen. Optimierter Status Quo heißt also, die bisherigen Aufgaben werden zukünftig mit mehr Personal gemacht.
Anstelle dieser Art der Optimierung wäre es zielführender, kritisch die Aufgaben zu hinterfragen. Was muss eine städtische Verwaltung wirklich leisten? Natürlich brauchen wir zwingend die einzelnen Ämter, aber sind wirklich alle Aufgaben, die dort geleistet werden, unverzichtbar? In der letzten Ratssitzung kam zum Thema Gesundheitsziele ein kritischer Beitrag der FDP. Sich für hehre Ziele einsetzen, ehrt sowohl die Verwaltung als auch deren Beschäftigte. Doch die Weltenrettung wird der Stadt Bielefeld voraussichtlich nicht im Alleingang gelingen, und so muss die Frage erlaubt sein, was tatsächlich nur von der Verwaltung sinnvoll zu leisten ist und ab wann es
lediglich zur Selbstverwirklichung der einzelnen Akteure oder zur Zufriedenheit der eigenen Partei-Klientel beiträgt.
An den Fahrradbeauftragten haben wir uns schon mehrfach abgearbeitet.
LGBT-Beauftragte, die Menschen mit entsprechender sexueller Orientierung oder Identität durch den Dschungel an bereits bestehenden Hilfsangeboten öffentlicher und privater Träger leiten, sind schön. Aber ist das eine zwingende Aufgabe einer Stadtverwaltung? Im Projekt BOB geht es um die Prävention von Alkohol am Steuer, insbesondere bei jungen Erwachsenen. Viele Organisationen von Polizei, Krankenversicherungen und Schulen sensibilisieren Jugendliche zu diesem Thema. Müssen dann noch Beschäftigte der städtischen Verwaltung mit örtlichen Gastronomen einzeln in Verhandlung treten, um für die PKW-Fahrer Rabatte auf alkoholfreie Getränke auszuhandeln?
Die Frage bei einigen Projekten, ob der eingesetzte Aufwand überhaupt einem Ertrag gegenübersteht, betrifft längst nicht nur den Sozialbereich. Insgesamt sehen wir hier aber nicht die Politik, sondern die Verwaltung selbst und damit schlussendlich den Oberbürgermeister in der Pflicht, die vorhandenen Ressourcen effizient einzusetzen. Eine wirtschaftliche, effiziente und sparsame Haushaltswirtschaft schreibt nicht zuletzt die Gemeindeordnung vor.
Wenn Sie hier von der Opposition konkrete Einsparvorschläge einfordern, ist das scheinheilig. Anregungen, die in der Vergangenheit aus der Politik kamen – man könnte hier den CDU-Antrag zum Büro für integrierte Sozialplanung nennen –, wurden auch mit dem Verweis auf die Organisationshoheit des Oberbürgermeisters entschieden zurückgewiesen.
Ebenso zeigte sich der Oberbürgermeister vollständig immun bei Eingaben zum Thema Bürgerberatung, obwohl hierzu rund 12.000 Unterschriften der Bürgerinnen und Bürger vorlagen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal die Gelegenheit nutzen, Sie, Herr Oberbürgermeister, an genau diese Organisationshoheit zu erinnern und einen effizienten Umgang mit Ressourcen als dauerhafte Chefsache anzuregen. Der vorgelegte Haushalt ist immer noch mit reichlich Risiken belastet: erhebliche Auswirkungen bei etwaig steigenden Zinsen oder die nur im Augenblick gute Einnahmesituation bei der Gewerbesteuer, die aber für die Zukunft auf eine solidere Basis gestellt
werden muss. Und nicht zuletzt die stets expansive Personalpolitik. Bielefeld lebt weiterhin zu Lasten der Substanz.
Deshalb werden wir der vorgelegten Haushaltssatzung keine Zustimmung geben.
Thomas Rüscher
(Finanzpolitischer Sprecher der BfB)
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