Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren!

Bei der Modernisierung von Schulen – und genau darum geht es in diesem Fall – steht für die Bürgergemeinschaft an erster Stelle, dass in allen Schulformen für möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit möglichst effizientem Einsatz von Mitteln die materiellen Voraussetzungen für gutes Lernen geschaffen werden.

Der Sanierungsbedarf an den Bielefelder Schulen ist ähnlich wie bei den Sportstätten erheblich. Darum ist es zunächst positiv, dass Landesmittel aus dem Programm „Gute Schule“ zur Verfügung stehen und nun etwas getan werden soll. Es wird ja auch Zeit, nachdem die erste Tranche der Fördermittel mangels Konzept schon umgewidmet werden musste. Leider merkt man dem Konzept – sofern es diesen Namen überhaupt verdient hat – den Zeitdruck
an. Was sind eigentlich die Voraussetzungen für gutes Lernen? Was stellen wir uns vor? Die Räumlichkeiten müssen in einem guten Zustand sein und sowohl vom Zuschnitt als auch von der technischen Ausstattung zum pädagogischen Konzept passen. Natürlich kann man sich streiten, ob eine Sanierung der Martin-Niemöller-Gesamtschule sinnvoll ist oder nicht; das aktuelle Angebot und die Anordnung der Räume entspricht sicher nicht mehr vollständig den aktuellen Bedürfnissen. Ein Neubau ist daher notwendig und eine grundsätzlich gute
Idee.

Bemerkenswert ist aber – und Sie ahnen vielleicht schon, dass dies keineswegs positiv gemeint ist -, dass bei der nun vorgesehenen Festlegung auf die Variante 2 gemäß Beschlussvorlage das pädagogische Konzept keine Rolle spielt. Zwar haben Sie zwischen Juni 2017 und April 2018 per Workshops die Schule beteiligt, wie sie unter dem Punkt „Schulbauberatung“ der Vorlage darstellen. Man darf aber getrost annehmen, dass dies nur das sprichwörtliche „Feigenblatt“ war, denn das Gutachten von Drees und Sommer, welches erst Ende Juli 2018 vorgelegt wurde, befasst sich vorrangig mit Grundstücken und architektonischem Schnickschnack wie einer aufgelockerten Bebauung auf dem neuen Grundstück A, damit sich der zu erstellende Neubau auf dem Grundstück
A besser in die Umgebung einfügt. Haben Sie eigentlich bemerkt, dass sich die Beschlussvorlage und die in der Anlage beigefügte Zusammenfassung der Variantenbewertung widersprechen?

Die Vorlage propagiert Variante 2, also den Neubau auf Grundstück A und den Teilneubau auf dem Bestandsgrundstück B, also die Variante 2.1 des Konzepts. Im Resümee der Beschlussvorlage steht: „Ein wesentlicher Vorteil dieser Lösung ergibt sich aus pädagogischer Sicht aus dem Schulbauberatungsprozess mit der Schule. Den Jahrgangsstufen 5 und 6 kann hier in einem eigenen Stufenhaus eine behütete Lernatmosphäre mit direktem Bezug zum eigenen Pausenbereich geboten werden. In der Abwägung sind diese Vorteile vorrangig
gegenüber einer baulichen Lösung auf einem Grundstück. Dem Rat der Stadt wird die Realisierung
der Variante 2 auf den Grundstücken ‚A‘ und ‚B‘ empfohlen.“ In der Zusammenfassung der Varianten im Anhang steht aber bei 2.1 unter Nachteile als erstes: „Ungünstig für das pädagogische Konzept, weil die Stufenhäuser nicht auf demselben Grundstück angeordnet sind.“.

Es ist offensichtlich, dass hier für eine – aus mir immer noch nicht nachvollziehbaren Gründen – angestrebte Variante die Fakten zurechtgebogen werden. Der größte Irrsinn ist aber, eine Schule so auf verschiedene Grundstücke aufzuteilen, dass Schülerinnen und Schüler im normalen Betrieb regelmäßig eine stark befahrene Straße überqueren müssen. Das steht übrigens in der Zusammenfassung bei den Nachteilen zur Variante 2.1 direkt an zweiter Stelle. An Absurdität kaum zu überbieten sind die bisher schon gehörten Einlassungen, die Straße „An der Reegt“ mit der Stadtbahnhaltestelle Schildesche und Buslinien im 10-Minuten-Takt wäre eine „verkehrsarme Straße“. Von Apfelstraße und Westerfeldstraße brauchen wir hier gar nicht sprechen, jeder, der schon mal im Berufsverkehr dort vorbeigefahren ist, weiß, dass es ein gravierendes Sicherheitsrisiko darstellt, hier laufend größere Gruppen von Schülern kreuzen zu lassen. Unsere Sicherheitsbedenken möchte ich auch ausdrücklich so ins Protokoll aufgenommen wissen. Es hilft auch nicht weiter, wenn wir wie von Herrn Nettelstroth geäußert hören, dass Schüler, die mit 11 Jahren nicht eine Straße überqueren könnten, falsch an dieser Schule wären. Wenn man ein tatsächliches Risiko lächerlich macht, wird es davon leider nicht kleiner.

Anstatt direkt eine bessere Variante zu verfolgen, wird das Problem der Straßenquerung wahrscheinlich in bewährter Paprika-Manier gelöst und die betroffenen Straßen demnächst gesperrt bzw. als Radfahrstraßen deklariert. Das Bestandsgrundstück ist riesengroß. 40.000 Quadratmeter. Es wäre problemlos möglich, den
Ersatzneubau auf dem Bestandsgrundstück B zu errichten. Vielleicht müsste man zwei bis drei Bäume fällen, um das möglich zu machen; das wollen die Grünen natürlich nicht. Lieber Bäume retten und dafür die Schüler über die Straße laufen lassen. Natürlich kann man auch sanieren und umbauen; auch vor einem Abriss muss ein
Schadstoffsanierer Asbest und PCB ausbauen. Dafür müssen Sie ohnehin Geld in die Hand nehmen, sonst dürfen Sie gar nicht abreißen lassen. Diese Kosten sparen Sie also nicht.

Überhaupt, die Kosten. Man sollte meinen, wenn Ihnen schon die Schülerinnen und Schüler sowie das pädagogische Konzept egal sind, würden Sie wenigstens die günstigste Lösung wählen. Mein Gefühl sagt mir: weit gefehlt. Doch leider gibt weder das Gutachten noch die Vorlage Auskunft über Kosten. Sie wissen gar nicht, wieviel die unterschiedlichen Varianten kosten würden! Die Vorlage enthält nur einen einzigen Betrag, nämlich dass die Zwischenunterbringung, wenn ausschließlich auf dem Bestandsgrundstück gebaut würde „erheblich mehr als 10 Mio. Euro“ kosten würde. Eine wilde Schätzung, völlig aus der Luft gegriffen. Die Uni hat übrigens für weniger Geld
gerade das neue Z-Gebäude gebaut, von so einer Zwischenunterbringung können die Schülerinnen und Schüler nur träumen. Sie wissen nicht, was es kosten wird. Dafür meinen Sie laut Vorlage schon zu wissen, dass der
Neubau auf dem Grundstück A der „Green-Building-Zertifizierung in Silber nach dem ‚Bewertungssystem nachhaltiges Bauen‘ (BNB)“ entsprechen soll. Welchem Koalitionspartner dies wohl am Herzen lag? Ich meine: Der Neubau muss nicht schon wieder auf Teufel komm raus ein Vorzeigeprojekt werden. Bescheidenheit und auch an andere Schulformen zu denken, wäre hier eher angebracht.

Sie wissen auch schon, dass der Neubau nur für 30 Jahre genutzt werden soll, aber über einen deutlich längeren Zeitraum abgeschrieben werden muss, was wiederum nicht unerhebliche Rückstellungen erfordert. Aber wieviel es kostet, das wollen Sie nicht wissen? Ich nenne das unseriös. Wieder einmal haben Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und wahrscheinlich auch die Steuerzahler das Nachsehen, weil sich selbsternannte Experten mit ganz eigenen Schwerpunkten ideologisch verwirklichen wollen. Es ist ja nicht so, dass es in Ihren Parteien gar keinen gesunden Menschenverstand gäbe – noch am 4. Oktober gab es in der Bezirksvertretung Schildesche folgende Aussagen:

  • Keinen Schnellschuss abgeben, eine ausführliche Diskussion ist erforderlich, eine genaue
    Kostenanalyse müsse vorliegen; das tatsächlich von der CDU.
  • Auch die Grünen bemängelten, dass es für keine Variante eine Kostenschätzung gibt.
  • Die SPD wollte laut eigenem Antrag den Schulneubau auf dem Bestandsgrundstück realisieren.

Wie kann man über die Vernunft vor Ort dermaßen hinweggehen und nun so einen Beschlussvorschlag vorlegen? Schon im Schul- und Sportausschuss hat die BfB dagegen gestimmt. Woher der plötzliche Sinneswandel bei so vielen Menschen, die auf einmal verkündeten, man könne mit dem Kompromiss gut leben? Das bleibt mir selbst beim besten Willen ein Rätsel, und darum wird die BfB die Vorlage auch ganz entschieden ablehnen. Das sollten Sie auch tun! Den Änderungsantrag der Linken kann man im Sinne der Transparenz unterstützen, allerdings ist Denkmalschutz wahrlich nicht der dringendste Aspekt bei dieser Vorlage.

Thomas Rüscher
(BfB Ratsmitglied)

BfB Bielefeld

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